LESERFRAGEN EXPERTENTELEFON \"POLYNEUROPATHIE\" am 10.11.2011
In meiner Familie gibt es zwei Diabetiker, die auch an Neuropathie leiden. Kann es sein, dass beides vererbt wird?
- Dr. med. Alin Stirban, Facharzt für Innere Medizin, Endokrinologie und Diabetologie vom Profil Institut für Stoffwechselforschung in Neuss: Vom Diabetes (dem Typ 1 und dem Typ 2) weiß man, dass das „Erbe“ eine bedeutende Rolle spielt. Was das „Vererben“ der diabetischen Neuropathie betrifft, ist dies etwas schwieriger zu beantworten. Man weiß, dass viele Patienten mit einem Diabetes mellitus im Laufe ihres Lebens eine Neuropathie entwickeln und dass die Wahrscheinlichkeit dafür mit dem Alter, der Diabetesdauer und einer schlechten Stoffwechseleinstellung steigt. Auch weisen Familien oft ähnliche Lebensgewohnheiten auf, wie z.B. Alkoholkonsum, was nicht „vererbt“, aber „weitergegeben“ wird, wenn Sie so wollen. Wichtig für Sie ist, dass auch, wenn beide oben genannten Diagnosen öfter in Ihrer Familie vorkommen, dies für Sie keinesfalls einer „Verurteilung“ gleicht. Insbesondere was den Diabetes betrifft, muss man allerdings sagen, dass Ihr Risiko auch daran zu erkranken etwas erhöht ist. Dies sollte Sie motivieren, auf Ihre Lebensgewohnheiten (Essen, Sport, Alkoholkonsum, etc.) vermehrt zu achten.
Mein Arzt möchte mich wegen meiner schmerzhaften Neuropathie mit einem Schmerzmittel behandeln, das auch gegen Depressionen eingesetzt wird. Muss ich mit Nebenwirkungen rechnen? Und gibt es auch besser verträgliche Alternativen?
- Dr. med. Alin Stirban: Nebenwirkungen kommen leider ziemlich oft unter einer Therapie mit Antidepressiva (Arzneimittel gegen Depression) vor. Es gibt vielfältige Therapien der schmerzhaften Neuropathie, die Verträglichkeit ist sehr unterschiedlich. Sie sollten allerdings berücksichtigen, dass der Begriff Verträglichkeit sehr individuell definiert werden muss. Was für einen verträglich ist, kann für den anderen unverträglich sein und umgekehrt. Sprechen Sie bitte mit Ihrem Arzt über Ihre Bedenken bezüglich der Nebenwirkungen, er kennt Sie am besten und kann die optimale Therapie unter Berücksichtigung Ihrer Wünsche und Bedürfnisse bestimmen. Nicht zuletzt aber kann die Frage der Verträglichkeit erst nach Beginn der Therapie endgültig beantwortet werden.
Ich bin 55 Jahre alt, Diabetiker und leide an einem Taubheitsgefühl in beiden Füßen. Immer wieder entdecke ich kleine Wunden, die ich gar nicht gespürt habe und die schlecht heilen. Was kann ich tun, damit ich keinen diabetischen Fuß bekomme?
- Dr. med. Alin Stirban: Sprechen Sie dringend mit Ihrem Arzt darüber! Da Patienten mit Diabetes mellitus eine erhöhte Infektanfälligkeit aufweisen, sind diese Wunden besonders gefährlich. Der Arzt wird Sie beraten, noch besser auf Ihre Stoffwechseleinstellung zu achten, kann Ihnen passende Schuheinlagen oder Schuhe verordnen und wird Sie beraten, tägliche Fußinspektionen durchzuführen. Sobald die kleinsten Anzeichen einer Wunde und insbesondere einer Wundinfektion von Ihnen bemerkt werden, melden Sie sich unverzüglich bei Ihrem Arzt.
Nachts bekomme ich einen starken Bewegungsdrang in den Beinen. Der Arzt hat ein Restlessleg-Syndrom festgestellt. Kann dahinter eine Polyneuropathie stecken?
- Prof. Dr. med. Hilmar Stracke, Diabetologe von der Medizinischen Klinik und Poliklinik III der Universität Gießen und Marburg: Ja, das ist durchaus möglich. Ihr Arzt sollte zum einen prüfen, ob bei Ihnen Risikofaktoren für eine Neuropathie vorliegen, wie z.B. ein Diabetes, und zusätzlich durch ein paar einfache Grunduntersuchungen Ihre Nervenfunktion überprüfen: Dazu zählt beispielsweise die Stimmgabeluntersuchung, mit der das Vibrationsempfinden im Fuß getestet wird. Oder durch Berühren Ihrer Füße mit unterschiedlichen Materialien wird das Warm-kalt-Empfinden überprüft. Zeigt sich hier eine beeinträchtigte Wahrnehmung von Berührung, Vibration oder Temperaturunterschieden, sind das Hinweise auf eine Neuropathie.
Können sich die Nerven bei einer Polyneuropathie wieder erholen? Ich leide seit rund drei Jahren an einem Kribbeln in den Füßen!
- Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Im Anfangsstadium der Erkrankung können sich die Nerven noch regenerieren. Schreitet die Schädigung aber bis zu einem kritischen Punkt voran, ist der so genannte „Point of no Return“ erreicht, und die Nervenfunktion kann nicht wieder hergestellt werden. Dieser kritische Schädigungsgrad ist erreicht, wenn Sie nichts mehr spüren. Daher ist es so wichtig, so früh wie möglich zu handeln. Im Anfangsstadium tragen gut verträgliche, vitaminähnliche Substanzen wie das Benfotiamin zur Regeneration der Nerven und zur Linderung der Symptome bei.
Ich bin Diabetiker und fürchte, dass bald auch eine Neuropathie dazukommt. Lässt sich das verhindern?
- Prof. Dr. med. Hilmar Stracke: Sie können einiges tun, um einer Neuropathie vorzubeugen. An erster Stelle stehen alle Maßnahmen, die zu einer möglichst guten Blutzuckereinstellung beitragen. Dazu zählen nicht nur die Medikamente, die Ihnen der Arzt verordnet hat. Zusätzlich helfen eine gesunde Ernährung, die Vermeidung von Übergewicht und regelmäßige Bewegung, den Blutzuckerspiegel zu senken.
Lassen Sie außerdem vom Arzt regelmäßig Ihre Füße untersuchen. Er hat sensible Geräte, die eine Störung der Nervenfunktion nachweisen können, bevor erste Beschwerden auftreten. Bei den ersten Anzeichen einer Neuropathie ist es ratsam, ein Präparat mit dem Wirkstoff Benfotiamin einzunehmen. Es schützt die Nerven vor den schädlichen Auswirkungen des erhöhten Blutzuckers und wirkt so dem Voranschreiten der Erkrankung entgegen.
Ich habe in den Beinen Kraftverlust und kann seit Jahren nicht mehr ohne Hilfe aus der Hocke aufstehen. Liegt das am Diabetes oder an der Polyneuropathie?
- Prof. Dr. med. Burkhard L. Herrmann, Endokrinologe und Diabetologe vom Technologiezentrum Ruhr in Bochum: Ein Kraftverlust ist überwiegend durch eine Muskelschädigung bedingt. Hierbei kann es sich um Nebenwirkungen von Medikamenten handeln. Typische frühe Zeichen einer Nervenschädigung (Polyneuropathie) beim Diabetes mellitus betrifft ein reduziertes Berührungs- und Sensibilitätsempfinden. Erst später kann es hier durch eine weiter fortschreitende Störung der peripheren Nerven zu einem Kraftverlust kommen.
Ich bin 48 Jahre alt und leide seit vielen Jahren an einem Diabetes. Insbesondere nachts spüre ich schon seit längerer Zeit ein Brennen in den Füßen. Neuerdings rast im Liegen auch mein Herz. Kann das zusammenhängen?
- Prof. Dr. med. Burkhard L. Herrmann: Beim Brennen der Füße während der Nacht kann es sich um ein Frühsymptom einer Nervenschädigung bei einem Diabetes handeln. Hier sollte unbedingt eine entsprechende Untersuchung durchgeführt werden. Beim Herzrasen im Liegen handelt es sich allerdings nicht um eine typische Störung, die auf einen Diabetes mellitus hinweist. Hier müssen zunächst ein EKG und eine weitere internistisch-kardiologische Untersuchung erfolgen.
Ich bin Diabetiker und habe immer sehr trockene, eingerissene Haut an den Füßen, ansonsten aber keine Beschwerden. Der Arzt hat bei einer Stimmgabeluntersuchung festgestellt, dass meine Nervenfunktion schon leicht gestört ist. Was kann ich tun, damit es nicht schlimmer wird?
- Prof. Dr. med. Burkhard L. Herrmann: Bei Ihnen liegen die typischen Symptome einer Polyneuropathie als Folgeerkrankung eines Diabetes mellitus vor. Entsprechend dem empfohlenen Stufenschema sollten neben der Optimierung des Blutzuckerspiegels auch spezifisch gestörte Nerven behandelt werden, z.B. sollte initial die fettlösliche Vitamin B1-Vorstufe Benfotiamin als Tablette 1-mal täglich eingenommen werden. Falls hier nach 8 Wochen keine Besserung eintritt, kann zusätzlich Alpha-Liponsäure gegeben werden.
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